Ironman Hamburg 2017 – Wettkampfbericht von Golo Röhrken

What a day!
Ironman ist immer ein Gefühlschaos, man wechselt ständig zwischen Euphorie und tiefster Depression.
Dave Brailsford, der Chef des Radsport Teams Sky sagte dazu mal:
“It takes Blood, Sweat and Tears to win a Race or the Tour de France”
Analog gilt das Gleiche für den Ironman:
Es braucht viel Schmerz (Blood), Training (Sweat) und Tränen (Träume und Vorstellung) um hier ganz vorne zu landen.

Der “längste Tag“ begann für mich zum ersten Mal daheim.
Mit gerade einmal 3h Schlaf und 2 doppelten Espresso machte sich meine Support Group und ich auf zum Jungfernstieg.
Angekommen am Schwimmstart bemerkte man wie viele Gesichter einem bekannt vorkamen, Wahnsinn auch schon wie viele Zuschauer morgens an die Alster gekommen waren.

Gerade als die Sonne über der Außenalster zu leuchten begann, erfolgte der Start und es zog sich eine Reihe Ausdauerverrückter Schwimmer von Binnen- zu Außenalster.
Ich erwischte einen guten Start und kam zügig an die erste Wendeboje an der Außenalster.
Auf dem Rückweg verlor ich jedoch in der Binnenalster ziemlich die Orientierung und fand den Australien-Exit (Landgang) erst nach ziemlichem Linksdrift.

In der kleinen Runde in der Binnenalster hatte ich einige fiese Wadenkrämpfe und konnte auch nicht mehr wirklich Druck machen, sodass ich von einigen Gruppen überholt wurde und mit 58min dem Wasser entstieg.
Der Plan war eigentlich eine Zeit von 54 Minuten zu schwimmen, sodass es nun galt einiges wieder gut zu machen.
Alex Siegmund rief mir noch kurz meinen 5. Platz in der Alsterklasse zu.

Die Taktik auf dem Rad war die erste Runde bewusst konservativ anzugehen und eher taktisch zu gestalten, um dann auf der zweiten Runde noch einmal zu attackieren.
Relativ schnell merkte ich jedoch, dass ich gute Beine auf dem Rad hatte und als Jules mir dann nach 30km zu rief dass ich 3. in der Altersklasse war und der erste und zweite nur 3 Minuten entfernt sind, begann ich langsam mit der sehr einsamen Aufholjagd.
Nach 80km konnte ich den zweiten aus der Alsterklasse stellen und Jules rief mir zu, dass es noch 1,5 Minuten zum ersten aus der Alsterklasse sind.
Was ich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, befand ich mich schon in den Top20 Overall.

Jean Pierre (JP), der erste aus der AK und ein Teammitglied, holte ich nach 140km, kurz vor Buchholz, ein.
JP ist ein Stammstarter bei uns in der 2.BuLi und so ein verdammt starker Schwimmer und Läufer, von daher wusste ich, dass ich eine beherzte Attacke brauchte um Ihn zu distanzieren.
Auf der leicht abfallenden Waldstraße kurz vor Buchholz zog ich mein Kinn in Richtung Lenker, Kopf auf die Brust, beschleunigte auf 55km und setzte eine Attacke von 3’ mit 320Watt.
Jean Pierre war weg.
So langsam begann die Ermüdung und ich bekam etwas Krämpfe bei den Hügelige Passagen zurück nach Hamburg.
20km vor dem Ziel erwischte ich die Gruppe mit den führenden Agegroupern und konnte im regelkonformen Abstand noch ein paar Körner fürs laufen Sammeln.
Nach 4:49h, NP von 256Watt und einem Durschnitt knapp unter 38 erreichte ich T2.

Beim Laufen fühlten sich die Beine direkt gut an und ich lief, nach einem kurzen DIXI Stop :D, mit einem 4:10-15min/Km Schnitt los…

“3Minuten Führung in der Altersklasse und Du bist 2. Amateur insgesamt.“ rief Jules
What?! Wow ok, ich glaube das Rennen läuft heute wirklich gut.

Nach 12Km übernahm ich das erste Mal die Führung im Amateur Rennen, wie im Rausch kommen mir jetzt die ersten Kilometer vor.
Die Stimmung an der Strecke war schon jetzt überwältigend,
das Tri Team hatte ein wahnsinniges Stimmungsnest und auch sonst an der Strecke riefen überall Leute meinen Namen oder feuerten die Athleten an.

Im Rennen entwickelte sich unterdessen ein Kampf um Platz 1 der Amateure.
Bennie Dicke, ebenfalls ein Athlet aus unserem Team, hatte eine phänomenale Aufholjagd auf dem Rad gestartet und stellte mich nach 21km laufen.
Zunächst probierte ich mit Bennie zusammen zu laufen, Bennie forcierte einige Male das Tempo, jedoch liefen wir weiterhin mit einem 4:20-4:25min/Km Schnitt.
Ben wirkte jedoch auch nicht mehr komplett frisch, wer ist das schon nach dieser Distanz ????
Die Aufholjagd auf dem Rad und das Laufen hatte ihm sichtlich zugesetzt.

Selbst war ich auch weit davon entfernt frisch zu sein, mein Rücken und meine Waden machte mir arg zu schaffen und unter meinem linken Fuß entwickelte sich gerade eine enorme Blase.
Zudem war ich einfach nur noch müde, das Rennen forderte so langsam bei Jedem seinen Tribut.
Jedoch wusste ich auch, dass es um die Amateur Krone geht und wir Nahe an der Sub9 Marke rannten.

Bei Km 28 merkte ich, wie Bennies Hüfte etwas mehr mit jedem Schritt einsackte und er seine Schrittfrequenz drosseln musste, das Tempo rutschte auf 4:25-35min/Km.
Ich probierte jedoch weiterhin taktisch zu denken und wusste, dass ein Ironman erst auf den letzten 10km entschieden wird!
„The Race is over at the Finishline!“
Ich redete mir selber Zuspruch ein und bereitet meine Attacke mental vor nach dem Motto:
Bennie hat verzockt, er ist die ersten 20km beim laufen zu schnell angegangen.

Bei KM 33 am Amerikanischen Konsulat war es dann soweit, ich erhöhte noch einmal die Schrittfrequenz
und forcierte das Tempo, gepusht durch das Stimmungsnest des Tri Team Hamburgs konnte ich Ben distanzieren.
Bis zum Wendepunkt musste ich hart fighten um das Tempo aufrecht zu erhalten.

Noch 8km “Come on! Du läufst hier gerade einen 4:20 Schnitt, dass sollte ja wohl kein Problem sein.”, doch mein Körper sah das etwas anders!
Noch 6Km: Der Weg runter die Alster war mehr ein Delirium als wirkliche Realität.
Noch 4km: Langsam verschwammen die Konturen und ich wollte einfach nur noch das Ding finishen.
Noch 2km: Als Jules mir dann 2km vor dem Ziel zu rief, dass Bennie noch 6s Vorsprung zu mir hat (er war ja früher gestartet), probierte ich noch einmal alles auf eine Karte zu setzen und forcierte den sehr sehr langen Endspurt auf 4:10min/Km.

Der Einlauf in den Zielkanal war einer der emotionalsten Momente in meinem Leben.
8:58:41 WOW!
Als ich dann hörte, dass ich 1. Amateur und 7. Overall geworden bin, kam doch die eine oder andere Krokodilsträne.

Es war ein unvergesslicher Tag mit wahnsinnigem Support der Zuschauer und der Supporter.
Es hat definitiv Blood, Sweat und Tears gebraucht um so weit zu kommen-
Es war ein Tag, den ich niemals vergessen werde.

 

Golo Röhrken